
Demenz. Man ist nicht einfach nur schusselig oder vergesslich, nein man kann sich an große Teile des eigenen Lebens und Schaffens nicht mehr erinnern. Die immense mentale Belastung die dadurch auch für das familiäre Umfeld entsteht wird all zu oft unterschätzt. Alzheimer und Demenz sollten deshalb nicht nur in der Woche der Demenz oder gar nur am Weltalzheimertag am 21. September im Fokus stehn, sondern konstant eine viel breitere Öffentlichkeit erfahren.
Uticha Marmon gelingt mit Als Opapi das Denken vergaß, welches bereits 2014 im Magellan Verlag erschien, ein wertvoller Beitrag zum Verarbeiten der schwierigen Erfahrungen und dem Umgang mit der facettenreichen Erkrankung innerhalb einer betroffenen Familie.
Mia freut sich irrsinnig, dass ihr lieber Opapi endlich in die Nachbarwohnung einzieht. Sie hat ihm als Begrüßungsgeschenk eine Schwanfamilie aus Brotteig geknibbelt, und kann es kaum abwarten, mehr Zeit mit ihm zusammen zu verbringen. Was sucht denn nun aber dieser freche Berti in Opapis Wohnzimmer? Wer ist er und wo kommt der her? Und ist Opapi wirklich so verwirrt, wie ihre Eltern sagen?
Was mir ganz besonders gut an diesem 159 Seiten starken Buch gefällt sind zum einen die verschiedenen Herangehensweisen an kindgerechte Definitionen von Demenz. So wird das Krankheitsbild für Kinder greifbarer und erfahrbarer. Zwei Stellen möchte ich diesbezüglich hervorheben, da sie das Heimtückische, das Nicht-einfach-nur-leicht-verwirrt-sein dieser Erkrankung besonders gut herausarbeiten und zeigen, wie Kinder versuchen, die Krankheit einzuordnen:
Zu Opapis Verwirrtheit hatte sich nämlich etwas anderes gesellt, wie ein schwarzer Troll, der immer dann hervorkam, wenn Mia nicht genau aufpasste. Und dieser Troll war gemeiner als Marek und eine Lungenentzündung und nasse Wände zusammen. Denn dieser Troll war das Vergessen. Husch, husch kam es um die Ecke geschlichen, wenn Opapi allzu heftig in Verwirrung geriet, und begann, alles, was er jemals gewusst hatte, mit schwarzer Farbe zu übermalen. Dann behauptete Opapi zum Beispiel, er habe in seinem Leben noch kein Apfelmus gegessen. In solchen Momenten war er auch felsenfest davon überzeugt, es hätte ihm nie jemand beigebracht, wie man sich die Schuhe zuband, oder dass man sich beim Gähnen die Hand vor den Mund hielt. Mia wusste, all diese merkwürdigen Dinge flüsterte ihm das schwarze Vergessen ein. Darum war es so wichtig, dass Opapi sich erinnerte. Denn das Erinnern war wie ein großer, nasser Schwamm, mit dem man die schwarze Farbe wieder wegwaschen konnte.
Manchmal gab es aber auch Tage, an denen selbst das Erinnern nichts half.
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„Kein Mensch überlegte sich, bevor er etwas sagte, dass das eine Wort vor das andere gehörte. Man sagte einfach, was einem durch den Kopf schoss.
„Ich schreibe jetzt einen Satz auf und dann sortieren wir ihn gemeinsam“, sagte Herr Peterling.
Mia schaute an ihm vorbei zur Tafel. Martin einen Ball schönen grünen hat schrieb er. Das hatten sie gestern schon geordnet. Herr Peterling war wohl etwas durcheinander heute. …
Zum anderen mag ich auch die Art und Weise, wie die Familie die Lernprozesse im Umgang mit der Erkrankung umsetzt, und quasi gemeinsam einen Weg findet, wie man den schwarzen Troll zumindest manchmal etwas austricksen kann.
Als Opapi das Denken vergaß ist ein höchst lesenswertes Kinderbuch zum Thema Demenz und begeistert zusätzlich mit einer thematisch sowie farblich hervorragenden Coverillustration von Günther Jakobs.
Empfehlen kann ich das Buch (ISBN 978-3-7348-4004-3) für 9- bis 11-jährige, vor allem, wenn es im Familien- oder Bekanntenkreis Demenzfälle gibt, und man den Kindern weitere Hilfestellung bieten möchte.
{WERBUNG, da Nennung. Eigenkauf.}
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